Wasser ist Leben
Published by Dieter Kühner
Kurze Bestandsaufnahme der weltweiten Wassersituation
2017 online publication
Erstmals in der Menschheitsgeschichte wird offensichtlich, dass Probleme in Umwelt und Natur nur gemeinsam und grenzüberschreitend lösbar sind. Gerade das Wasser, als wichtigstes Lebensmittel schlechthin zeigt, wie der Umgang mit den Resourcen der Natur funktionieren muss.
Erst sehr spät ist uns Menschen klar geworden, dass ein sinnvoller Umgang mit dem Wasser weltweit nötig ist. Deshalb hat die UN-Generalversammlung den Zeitraum von 2005 bis 2015 zur Internationalen Aktionsdekade „Wasser für das Leben“ ausgerufen. Es sollten Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, sowie die breite Öffentlichkeit für Probleme rund um das Wasser sensibilisiert werden. Im März 2012 verkündete die UN, dass die Zahl der Menschen mit Zugang zu frischem Wasser weltweit auf 89% angestiegen sei. Dazu aber äußert sich beispielsweise das Stockholm Internationale Water Institut eher kritisch und zurückhaltend.
Gerne wird China für die Erfolgszahlen aufgeführt, denn die rabiaten ländlichen Umstrukturierungen, die staatlich gelenkten Stadtsanierungen und der erzwungene Neuaufbau von Trabantenstädten lassen dies plausibel erscheinen. Wenn aber Indien als ähnliches Erfolgsmodell aufgezeigt wird, darf dies wiederum an den augenscheinlichen Problemen in der Infrastruktur, der weiteren Ausdehnung der Slums und eines weiter hohen Anteils der Landbevölkerung angezweifelt werden.
Die Versorgung der Bevölkerung mit trinkbarem Wasser ist weltweit ungerecht verteilt. Während die Nordhalbkugel in den gemäßigten Zonen eher nicht von Wasserknappheit bedroht ist, sieht es rund um den Äquator, vor allem in Afrika und auch in Australien eher düster aus. Mit zunehmender Tendenz zählen Zentralasien, Nordamerika und Afrika zu den Wassermangelgebieten.
Grundwasser spielt die wichtigste Rolle. Interessanterweise ist das Grundwasser weltweit sogar recht gleichmäßig verteilt. 30% des Süßwasservorrates sind im Grundwasser enthalten, Gletscher, Eisberge und ewiger Schnee speichern knapp 68%. Kanada zum Beispiel verfügt über die Hälfte aller weltweit vorhandenen Süßwasserseen.
Obwohl Singapur von reichlich Wasser umgeben ist, ist das Trinkwasser dort knapp. Malaysia liefert durch riesige Pipelines den Hauptanteil, doch diese Abhängigkeit ist Singapur schon immer ein Dorn im „politischen“ Auge gewesen. Im Jahr 2005 startete ein Megaprojekt: Der Singapur-River wurde mitten im Stadtzentrum kurzerhand mit einer Staumauer versehen. Doch der See, hauptsächlich noch mit Salzwasser gefüllt wird erst 2015 so gutes Trinkwasser liefern können, dass damit etwa 10% des Gesamtbedarfes gedeckt werden kann. Dies ist für Singapur aber nur der erste Schritt zu mehr Wasser-Unabhängigkeit. Eine Meerwasserentsalzungsanlage in unmittelbarer Nähe mit einem neuartigen Umkehr-Osmose-Verfahren betrieben, ist bereits geplant.
Wasserqualität ist ein bedeutendes Kriterium. Der UNESCO-Weltwasserbericht (WWDR) gibt für knapp 120 Länder u.a. auch die Wasserqualität wieder: Finnland führt diese Liste an, gefolgt von Kanada und Neuseeland. Als Schlusslicht dieser Liste schmälert Belgien den Erfolg des EU-Rankings innerhalb des Weltwasserberichts. Dieser gibt zudem Aufschluss, dass dort, wo stark „urbanisiert“ wird, wo ehemalige Landflächen Gebäuden, Industrieanlagen oder Straßen weichen müssen, ein höherer „Stressfaktor“ für Wasser gemessen werden kann, als auf Grün-, Wald- oder Ackerflächen. So zeigt Der „Wasser Stress Index“ zeigt, wo das Verhältnis des Wasserverbrauchs zwischen Landwirtschaft, Industrie und Bevölkerung aus dem Gleichgewicht gerät. Der Anteil an den Kosten für frisches Wasser ist in wirtschaftlich entwickelten Ländern seit Jahren rückläufig. Dabei wird der Bedarf an „Wasser-Entwicklungshilfe“ für weniger industrialisierte Länder weiter steigen.
Maude Barlow ist die Vorsitzende der größten kanadischen Bürgerrechtsbewegung und Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Sie spricht von einer weltweiten Wasserkrise. Wasserknappheit sieht sie durch Landaufkäufe und Ankauf der Wasserrechte durch große Investmentfonds gerade in Afrika. Sie sagt: „Emporkommende Industriestaaten wie China, Indien und auch Saudi-Arabien lagern wasserintensive Industriezweige, wie Baumwollverarbeitung nach Afrika aus und exportieren damit auch das Wasserproblem.“ Die dafür bereits beanspruchte Fläche in Afrika sei zweimal größer als Groß-Britannien. Für Barlow stellt zudem die Entnahme von Wasser in den Randbereichen der Metropolen und der dadurch drastisch sinkende Grundwasserspiegel ein „drastisches Verknappungsproblem“ dar. In Vermont half sie mit an der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes, dass Wasser nicht als Privateigentum gehandelt werden kann.
Bereits 2010 hat die UN-Vollversammlung auf Antrag Boliviens das >Menschenrecht auf sauberes Wasser< in die UN-Menschenrechtscharta aufgenommen. Einer der stärksten Befürworter war Deutschland, wogegen sich die USA mit 30 weiteren Staaten der Stimme enthielten. Ihnen ging der Entwurf nicht weit genug.
Die Deutschen sind Weltmeister im Wassersparen. Der Verbrauch liegt heute bei unter 120 Liter in den Privathaushalten und knapp um die 100 Liter bei Industriebetrieben. Bislang unterschätztes Problem dieses Einsparbooms: auch die Durchflussmenge im Rohrleitungssystem hat sich stark verringert . „Stagnationswasser“ in der Kanalisation führt zu Korrosion, Verstopfung und Verkeimung des Wassers. Viele Städte sind gezwungen, das Abwassersystem regelmäßig zu spülen. Das Problem des geringen Wasserdurchsatzes zeigt sich aber nicht nur im Abwasser. Durch die geringere und seltenere Wasseraufnahme, sowie eine verringerte Wassertemperatur in Speichergeräten erhöht sich die Gefahr der Legionärskrankheit.
In der Folge ist die deutsche Trinkwasserverordnung verschärft worden. Sie geht auf die EU-Trinkwasserrichtlinie zurück, die alle 3 Jahre von den einzelnen Nationalstaaten einen Trinkwasserbericht verlangt.
Alle diese regionalen Einzellösungen, wie regionales Wassereinsparen (Weltmeister Deutschland), kostenlose Grundwasserpumpen (Indien), Privatisierung von Zu- und Abwassersystemen (Südamerika), sind vom Ansatz her zu begrüßen, reichen aber nicht aus, um das globale Problem zu lösen.
Es zeigt sich, dass nationale Großprojekte nicht für sich alleine betrachtet und betrieben werden können. Genauso wie grenzüberschreitende Abkommen über-nationale Projekte sichern, genauso muss eine Verständigung und Vernetzung von Kleinprojekten stattfinden. Zu solchen Kleinprojekten können z.B. Grauwasserkläranlagen für Abwasser aus Wasch- oder Spülvorgängen (ohne Fäkalien) zählen, die in der Größe eines Haushaltskühlschrankes auf das Dach von Einfamilienhäusern installiert und durch Sonnenkollektoren mit elektrischer Energie versorgt werden.
Prof. Rolf Gimbel von der Universität Duisburg-Essen ist deshalb auch überzeugt: „Der globale Durst nach Wasser lässt sich nicht mit einer einzigen Patentlösung stillen. Die Antwort ist der richtige Mix verschiedener.“ Cristobal Jaime Jaquez, Vorsitzender der mexikanischen Wasserkommission regt an, sich mehr auf lokale Ansätze zu konzentrieren. Die Lösung der Wasserprobleme wird nicht auf einzelne Projekte zurückzuführen sein, sondern nur durch das Zusammenspiel, der Vernetzung aller multinationalen oder einzelstaatlichen Megaprojekte und dem Informations- und Erfahrungsaustausch über Klein- und Miniprojekte gelingen.